Stress wird hier verstanden als ein Zustand oder ein Gefühl, das entsteht, wenn eine Person wahrnimmt, dass die Anforderungen die persönlichen and sozialen Ressourcen übersteigen, die das Individuum zu mobilisieren in der Lage ist.
Zum besseren Verständnis des Begriffes "Stress" werden verschiedene Stresstheorien vorgestellt.
Das Stresskonzept von Hans Selye
Hans Selye war einer der Gründungsväter der Stressforschung. Bereits 1936 entlehnte er den Begriff Stress aus der Physik als eine unspezifische Reaktion des Körpers auf jegliche Anforderung. Stress bezeichnet demnach die psychischen und physiologischen Reaktionen auf Belastung. Hervorgerufen wird er durch spezifische äußere Reize, die sogenannten Stressoren.
Selye hat in seinem frühen Stresskonzept positiven Eustress- von negativem Disstress unterschieden.
-
Eustress wirkt sich langfristig positiv auf die psychische und physische Funktionsfähigkeit aus. Diese Form von Stress resultiert aus Anforderungen, die leicht über den bisher bewältigten Aufgaben liegen und uns dazu herausfordern, unsere Fähigkeiten und Fertigkeiten weiterzuentwickeln.
Mögliche Beispiele für Situationen, die eher mit Eustress verbunden sind:
- Lampenfieber vor einer ersten Rede, die man irgendwo zu halten hat,
- ein erstes Bewerbungsgespräch,
- eine herausfordernde sportliche Aktivität, z.B. das erste Mal eine besonders lange Strecke laufend, wandernd oder Rad fahrend zurücklegen,
Am Ende steht letztlich ein Erfolgserlebnis. Die ursprünglich als Problem erlebte Herausforderung ist bewältigt worden und wird im Idealfall zur mehr oder weniger einfachen Aufgabe.
- Disstress hat seine Ursache dagegen in Belastungen, die nicht beeinflusst werden können: Lärm, ungewollte Forderungen anderer Personen, Reizüberflutung, Konflikte, schwerwiegende Ereignisse. Man erlebt die Situation als unangenehm. Man fühlt sich überfordert. Man glaubt, eine Aufgabe nicht bewältigen zu können. Und man fühlt sich als Opfer der Situation.
Das Transaktionale Stressmodell von Lazarus
Das Transaktionale Stressmodell ist nach dem Psychologen Richard Lazarus benannt (1974). Dieses Modell sieht Stresssituationen als komplexe Wechselwirkungsprozesse zwischen den Anforderungen der Situation und der handelnden Person.
Subjektive Komponente: Dabei ging Lazarus davon aus, dass nicht die objektive Beschaffenheit der Reize oder Situationen für die Stressreaktion von Bedeutung sind, sondern deren subjektive Bewertung durch den Betroffenen als Überforderung. Daraus folgt, dass Menschen für einen bestimmten Stressor höchst unterschiedlich anfällig sind, d.h. was für den einen Stress bedeutet, wird von einem anderen noch lange nicht als Stress empfunden.
Für Lazarus ist Stress damit ein Zustand oder ein Gefühl, das entsteht, wenn eine Person wahrnimmt, dass "die Anforderungen die persönlichen and sozialen Ressourcen übersteigen, die das Individuum zu mobilisieren in der Lage ist." Kurz gesagt, betrifft Stress das Gefühl, die Kontrolle über eine Situation verloren zu haben.
Das Modell ist transaktional, da ein Bewertungsprozess zwischen Stressor und Stressreaktion zwischengeschaltet ist:
Bewertungsschritte nach Lazarus
-
Primäre Bewertung: In einem ersten Schritt erfolgt eine Bewertung der Situation dahingehend, ob sie als positiv, irrelevant oder potentiell gefährlich eingestuft wird.
-
Sekundäre Bewertung: In einem zweiten Schritt erfolgt eine Bewertung der verfügbaren Ressourcen, die dabei helfen können, die Diskrepanz zwischen Anforderungen und eigenen Möglichkeiten zu vermindern. Nur wenn die eigenen Möglichkeiten als nicht ausreichend eingestuft werden, wird eine Stressreaktion ausgelöst und eine individuelle Bewältigungsstrategie entworfen:
- Flucht aus der Situation,
- sich Wissen und/oder Fähigkeiten aneignen, um ein Problem zu lösen,
- Maßnahmen gegen die emotionale Erregung (z.B. Entspannungsverfahren, Sport, Alkohol),
- Verleugnen der stresserzeugenden Situation.
Dieser Umgang mit einer Bedrohung wird Coping genannt.
-
Neubewertung: In einem dritten Schritt wird der Erfolg der Bewältigungsstrategie bewertet. Wenn sich die Person in der Zwischenzeit bestimmte Kompetenzen zur Bewältigung der Situation angeeignet hat, dann sollte weniger Stresserleben resultieren.
|
Theorie der Ressourcenerhaltung
Ein neuerer Ansatz zur Entstehung von Stress ist die Theorie der Ressourcenerhaltung von Hobfoll (1988, 1998). Zentrale Annahme ist dabei, dass Menschen ihre vorhandenen Ressourcen schützen wollen und danach streben, neue Ressourcen aufzubauen.
Stress: Reaktion auf die Umwelt, in der ...
- ... ein Verlust von Ressourcen droht,
- ... ein tatsächlicher Verlust von Ressourcen eintritt und/oder
- ... nach einer Investition eigener Ressourcen ein erwarteter Zugewinn von Ressourcen ausbleibt.
|
Ressourcen sind Objekte, persönliche Charakteristika, Bedingungen und Energien, die für die betreffende Person Bedeutung haben, zum Beispiel:
Beispiele für Ressourcen
- Objekt-Ressourcen: Kleidung, Auto, Haus
- Persönliche Ressourcen: Selbstwirksamkeit, Empathie, soziale Verantwortung
- Bedingungsressourcen: Autonomie, Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Familienstand, Arbeitsplatzsicherheit
- Energie-Ressourcen: Wissen, Zeit, Geld
|
Beispiel: Ein Anleger hat Geld in eine Aktie investiert, in der Erwartung, die Ressource Geld zu vermehren. Der Kurs geht allerdings immer weiter in den Keller. Es kommt infolgedessen zum Stresserleben.
Literatur:
Hobfoll SE. Stress, culuture, and community. Plenum Press, New York (1998)
Hobfoll SE. The ecology of stress. Hemisphere, Washington, D.C. (1988)
Lazarus RS. Psychological stress and coping in adaptation and illness. International Journal of Psychiatry in Medicine, 5, 321–333 (1974)
Selye H. A Syndrome Produced by Diverse Nocuous Agents. In: Nature. 138, 4 (1936) (Nachdruck)