michael gutmann

sportpsychologe
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Aktivierungssteuerung: Spannung regulieren

Optimale Leistungen sind dann möglich, wenn Körper und Geist die richtige Spannung haben: nicht zu hoch und nicht zu niedrig

Neben dem Willen zum Sieg und dem Glauben an sich selbst ist für Top-Leistungen auch die optimale Spannung – die richtige Aktivierung – von großer Bedeutung. Gemeint ist damit eine Anpassung der Erregung des Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf- und Nervensystems an die Herausforderung durch die bevorstehenden Aufgaben. Dabei greifen körperliche Funktionen (z.B. eine Erhöhung der Herzfrequenz oder die Ausschüttung von Adrenalin) und psychische Aspekte (z.B. erregende Gedanken über den Wettkampf) ineinander.

Hintergrund

Bereits 1908 haben die amerikanischen Psychologen Robert M. Yerkes und John D. Dodson den Zusammenhang zwischen der Leistungsqualität und dem Grad der Erregung beschrieben. Dabei wird die höchste Leistung bei einem mittleren Grad der Erregung erreicht, während eine zu geringe Erregung ebenso wie eine zu hohe Erregung für Höchstleistungen abträglich ist. Dargestellt wird dieser Zusammenhang als umgekehrt U-förmige Kurve (siehe Abbildung).

 

Yerkes-Dodson

Abbildung: Die Beziehung zwischen Qualität der Leistung und Erregungsniveau (entwickelt aus frühen Untersuchungen von Yerkes und Dodson, 1908)

 

Verschiedene Stufen der Aktivierung spiegeln sich im Erleben wieder: Ein zu geringe Aktivierung kann als Langeweile oder Lustlosigkeit interpretiert werden. Mit zunehmender Erregung entsteht Spannung, Aufregung oder Nervosität. Dieser Bereich wird von dem meisten als notwendig und optimal für gute Leistungen angesehen. Steigt die Aktivierung weiter, kann Stress entstehen. Wenn dieser Stress ein bestimmtes, individuell sehr unterschiedliches Maß überschreitet, sind die Bedingungen für Top-Leistungen nicht mehr optimal: Die Leistung sinkt. Bei viel zu hoher Erregung kommt vielleicht sogar Angst ins Spiel, die in vielen Fällen dann erst recht zum Misserfolg führt. Beispiele:

  • Zu geringe Aktivierung:

    „Ich habe mich müde gefühlt und der Wettkampf ging irgendwie an mir vorbei.“

  • Optimale Aktivierung:

    „Ich war gespannt wie ein Flitzebogen und konnte blitzschnell auf jede Situation reagieren.“

  • Zu hohe Aktivierung:

    „Ich war so aufgeregt, dass ich Angst hatte, etwas falsch zu machen.“

Für Top-Leistungen ist also ein mittleres Aktivierungsniveau anzustreben – ein individuell durchaus unterschiedlicher Zustand zwischen Erregung und Nervosität.

Bei einem zu geringen Aktivierungsniveau besteht die Gefahr, die entscheidende Situation zu „verschlafen“, d.h. es kommt nicht zu einer Bündelung aller Kräfte für eine optimale Leistung, zum Beispiel:

„Plötzlich war alles vorbei. Ich habe gar nicht gemerkt, wie das ging.“
„Ich habe irgendwie nicht in den Wettkampf gefunden.“

Ein zu hohes Aktivierungsniveau drückt sich durch eine übermäßige Nervosität oder das Erleben von Stress aus, wodurch vielleicht schon in der Vorbereitungsphase oder spätestens im Wettkampf die Leistungsentfaltung übermäßig gehemmt wird, zum Beispiel:

„Ich war so aufgeregt, dass ich vor dem Wettkampf gar nicht mehr schlafen konnte.“
„Die Nervosität ließ im Wettkampf gar nicht nach, so dass ich mich kaum konzentrieren konnte.“

Herausforderung und Können

Wichtig ist eine harmonische Balance zwischen Herausforderung und Können.

Um optimale Leistungen zu zeigen, darf der Anspruch der gestellten Aufgabe nicht zu leicht sein, muss aber lösbar erscheinen, zum Beispiel:

Wenn im Fußball im DFB-Pokal Mannschaften aus verschiedenen Klassen aufeinander treffen, ist die Herausforderung für die höherklassige Mannschaft u.U. zu gering, um gute Leistungen zeigen zu können. Wenn die unterklassige Mannschaft dann genügend Selbstvertrauen aufbauen kann, um die Aufgabe als lösbar erscheinen zu lassen, kann es zu eigentlich unerwarteten Siegen der unterklassigen Mannschaft kommen.

Wichtig ist dabei die subjektive Einschätzung des Athleten. Wenn in den Augen des Athleten z.B. der Gegner übermächtig erscheint wird wahrscheinlich Angst ausgelöst und gute Leistungen sind ebenso wenig möglich, wie wenn der Gegner zu schwach erscheint und die Herausforderung zu gering erscheint (siehe Flow).

Hintergrund: Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Flow ist eine Balance zwischen der wahrgenommenen Herausforderung durch die Aufgabe und der Selbsteinschätzung des eigenen Könnens (HK-Balance). Die besten Voraussetzungen für gute Leistungen ergeben sich, wenn die Aufgabe als anspruchsvoll und schwierig erlebt wird, das eigene Können aber ebenfalls als hoch wahrgenommen wird, so dass die Aufgabe lösbar erscheint, z.B.:

„Der Wettkampf ist zwar mit einem Klassefeld besetzt, aber ich kann da mithalten und werde es denen schon zeigen!“

Balance zwischen Herausforderung und Können: Wenn die Aufgabe im Vergleich zum eigenen Können als zu schwierig erscheint, ist Angst als Reaktion möglich. Wenn die Herausforderung gegenüber dem eigenen Können als zu gering eingeschätzt wird, entsteht möglicherweise eher Langeweile. In beiden Fällen sind die Voraussetzungen für Flow und für gute Leistungen eher schlecht.

Was kann man tun? Das Ziel sollte sein, die Aufgabe für den Athleten als schwierig aber lösbar erscheinen zu lassen. Im FaSlle einer zu gering wahrgenommenen Herausforderung („Den schlag‘ ich doch mit links.“) könnte eine Lösung darin bestehen, andere Ziele zu setzen (z.B. Bestleitung verbessern). Häufiger und vermutlich problematischer ist jedoch der Fall einer zu groß wahrgenommenen Herausforderung (z.B. eines vermeintlich starken Gegners).

Hier gibt es potentiell folgende Möglichkeiten:

  • Das wahrgenommene eigene Können stärken, z.B. durch Vergegenwärtigen der eigenen Stärken, bereits erbrachter Leistungen, des eigenen Leistungspotentials.

  • Die Herausforderung relativieren, z.B. auf Schwächen des Gegners aufmerksam machen.

  • Den Fokus auf die eigene Leistung richten, zum Beispiel

    „Lauf dein Rennen!“ oder
    „Bring deine Leistung!“

Vorsicht: Diese Schritte müssen realistisch bleiben.

Sofern die wahrgenommene Herausforderung zu gering erscheint, sind die Zielsetzungen zu überdenken und eventuell Schritte zur Hochregulierung des Aktivierungsniveaus nötig.

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